Betrug im Gesundheitswesen,  pixabay/Foto illustrativ
Betrug im Gesundheitswesen

Immer häufiger werden gesetzliche Krankenkassen Zielscheibe organisierter Betrugsmaschen. Im aktuellen Bericht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Jahre 2022 und 2023 wurde ein Schaden von rund 200 Millionen Euro festgestellt – so viel wie nie zuvor seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2008. Besonders betroffen sind teure Medikamente wie die Abnehmspritze Ozempic sowie Schmerzmittel wie Tilidin und Fentanyl.

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Ozempic und Tilidin verursachen Millionenverluste

Ozempic, ursprünglich ein Mittel zur Behandlung von Diabetes, wird zunehmend illegal genutzt. Kriminelle fälschen Rezepte, reichen sie bei Apotheken ein und verkaufen die Medikamente anschließend weiter. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Pro Spritze entstehen so je nach Dosierung zwischen 80 und 217 Euro Schaden.

Auch starke Schmerzmittel wie Tilidin und Fentanyl sind betroffen. Diese werden mit gefälschten Verordnungen abgerechnet. Wenn die Manipulation auffliegt, fordern die Kassen Schadensersatz – auch von Apotheken, die die Fälschung nicht erkannt haben.

GKV-Bericht deckt systematischen Betrug auf

Im Berichtszeitraum wurden rund 50.000 Hinweise auf Fehlverhalten gemeldet. Das entspricht einem Anstieg von über 20 Prozent im Vergleich zu 2020 und 2021. Besonders häufig betroffen ist die Pflegebranche:

  • Abrechnung nicht erbrachter Leistungen
  • Falschangaben zu Arbeitszeiten
  • Verwendung gefälschter Berufsurkunden
  • Unterschriftenfälschungen von Patienten

Der Schaden in der Pflegebranche liegt bei über 62 Millionen Euro. Lediglich 21 Millionen Euro konnten gesichert werden. Insgesamt wurden aus allen Bereichen rund 92 Millionen Euro zurückgewonnen – ebenfalls ein Höchstwert.

Arzneimittelbereich mit höchsten Einzelschäden

Der Bereich Arznei- und Verbandsmittel weist mit fast 86 Millionen Euro die höchste Einzelschadenssumme auf. Obwohl dort vergleichsweise wenige Fälle auftraten, verursachten sie wegen der hohen Preise enorme Verluste. Weniger als die Hälfte dieser Summe konnte durch die Kassen wieder eingezogen werden.

Ein dokumentierter Fall zeigt, wie weit der Betrug reicht: Rezepte wurden in Apotheken eingelöst, die mehrere Hundert Kilometer von Arztpraxis und Wohnort der Versicherten entfernt lagen. In Einzelfällen wurden sogar Rezepte nach dem Tod von Patienten ausgestellt und eingelöst.

Scheinfirmen und organisierte Netzwerke

Eine besonders auffällige Masche betrifft die Gründung sogenannter Scheinfirmen. Diese existieren meist nur auf dem Papier. Als Geschäftsführer werden häufig suchtkranke Personen aus Osteuropa eingesetzt. Über solche Konstrukte werden Menschen bei Kranken- und Sozialkassen angemeldet – obwohl sie dort gar nicht beschäftigt sind.

Ziel dieser Netzwerke ist es, Leistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld I oder Bürgergeld zu erschleichen. GKV sieht hier ein systematisches, bandenmäßiges Vorgehen. Die Täter agieren gezielt und überregional, sodass einzelne Kassen die Betrugsmuster oft nicht erkennen können.

GKV fordert gesetzliche Anpassungen und stärkeren Schutz für Hinweisgeber

Der GKV-Spitzenverband fordert eine zentrale Datenerfassung und Auswertung mithilfe künstlicher Intelligenz. Nur so könnten verborgene Muster identifiziert werden, die bisher im Einzelfall untergehen. Auch beim Hinweisgeberschutzgesetz sieht der Verband Verbesserungsbedarf. Weniger als 20 Prozent der Hinweise stammen von Whistleblowern aus dem Gesundheitswesen. Diese sind oft rechtlich nicht ausreichend geschützt.

Rund 90 Prozent aller neuen Betrugsfälle sind nicht strafbar, aber dennoch rechtswidrig. Verstöße gegen gesetzliche oder vertragliche Regeln bleiben daher oft ohne Konsequenz – ein Problem für die Kassen.

Milliardenverluste wahrscheinlich

Internationale Studien schätzen den Schaden durch Betrug im Gesundheitswesen auf bis zu 10 Prozent der Gesamtausgaben. In Deutschland entspräche das einem zweistelligen Milliardenbetrag. Der GKV geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Bundesregierung soll daher eine eigene Studie zur Erfassung nicht gemeldeter Fälle in Auftrag geben.

Die Bilanz zeigt: Der Schaden durch Betrug im Gesundheitswesen wächst – und trifft alle Versicherten. Alle zwei Jahre veröffentlicht der GKV-Spitzenverband daher eine umfassende Auswertung, um aufzuklären und Handlungsbedarf zu identifizieren.

 Quelle: Tagesschau